Home » Apps » Eingesperrt in der Super-App

Eingesperrt in der Super-App

Die Internetnutzung wird zunehmend mobil und verlagert sich spätestens seit dem ersten iPhone immer weiter vom Browser in die Apps. Bereits über zwei Millionen Apps stehen in den App-Stores von Apple und Google zum Download bereit.

Aber nicht nur mehr Apps – auch immer mehr Funktionen kommen hinzu: So nutzen Snapchat, Kik und der Facebook Messenger seit kurzem QR-Codes zur Vernetzung. Auch Live-Streaming oder Bestellungen aus den kleinen, digitalen Programmen sind im Kommen. So kündigte Facebook vor einem halben Jahr großspurig die Integration von Taxi-Bestellungen in seinen Messenger an. Zumindest vorerst beschränkt sich dieser Dienst jedoch auf den Dienstleister Uber und steht nur in wenigen Städten der USA zur Verfügung.

Internet made in China

China

Chinesen, die in den USA wohnen, wundern sich über die Aufregung – sind diese Technologien in ihrer Heimat doch schon längst Gang und Gäbe. Aufgrund fundamentaler Unterschiede wird das Land der billigen Kopien immer wichtiger für die Entwicklung des Internets.

Wegen der Großen Chinesischen Firewall wurden westliche Apps kurzerhand durch lokalen Kopien ersetzt: Baidu statt Google, Youku statt YouTube, weibo statt Twitter. Dabei haben die chinesischen Entwickler eine Menge gelernt und nicht nur Bestehendes abgekupfert, sondern auch durch eigene Ideen verbessert: Apps wie WeChat oder Alipay erlauben es ihren Nutzern schon seit Jahren, mit QR-Codes zu bezahlen oder Geld zu versenden und ein Taxi oder gar Essen zu bestellen, ohne dafür die App zu verlassen. Und schon lange vor Tinder konnte man in China mit Momo lokal nach dem neuen Partner suchen. Im Gegensatz zur westlichen Welt, haben viele Chinesen auch nie einen eigenen Computer gekauft. Ihr Smartphone war für sie meist das erste internetfähige Gerät. Der Fokus auf das mobile Internet zahlt sich nun aus. Chinas größte Internetfirmen sind heute die einzigen, die es mit denen Amerikas aufnehmen können und sie haben einen neuen Trend geschaffen: Super-Apps.

Prinzip: Schweizer Taschenmesser

Super-Apps versuchen, die Funktionen von möglichst vielen Apps in sich zu vereinen und somit zum Eintrittstor für die digitale Wet zu werden. Ein Parade-Beispiel für diese Spezies nennt sich Weixin („kleine Nachricht“) – hierzulande besser bekannt als WeChat. Der Messenger, wie sich der Dienst selber einstuft, ist in China weit mehr als eine Chat-App. Es ist WhatsApp, Facebook, Skype, Uber, Amazon, Instagram, PayPal, Shazam, Venmo, Tinder und noch viel mehr in einem. Hinzu kommt eine Reihe von Funktionen, für die wir hierzulande gar keine geläufigen Alternativen besitzen: Arzttermine buchen, Investment Services, Heat-Maps, die zeigen, wie belebt ein Ort gerade ist, und viele weitere Funktionen.

Eine App, sie alle zu knechten

Eine App, sie alle zu knechten

Ein gefährlicher Trend – nicht wegen der Funktionen an sich, aber die Tatsache, dass all diese Funktionen in einer einzigen App vereint sind, birgt Gefahren. Die NY-Times zeichnet in einem Facebook-Video folgendes Szenario: Mit Weixin kann man einen Hunde-Waschservice bestellen, bezahlen, ein Foto vom sauberen Haustier mit Freunden teilen, die das Foto sehen und direkt den selben Service buchen können, Freunden für solche Hinweise danken, sie zum Essen in ein Restaurant einladen, in dem man mit der App bestellen und ebenfalls bezahlen kann, sich zum Restaurant navigieren lassen oder ein Taxi dorthin bestellen, ohne auch nur ein einziges Mal die App zu verlassen.

Hier klicken, um den Inhalt von Facebook anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von Facebook.

Was erst einmal komfortabel klingt und daher auch schon über 700 Millionen Menschen in China überzeugt hat, ist aber auch der Albtraum jedes Datenschützers. Tencent, der Entwickler der App, weiß, worüber man wann und mit wem spricht, wo man sich aufhält, wo man hin will und warum, mit wem man sich dort trifft, wofür man online oder offline sein Geld ausgibt und vieles mehr. Der gläserne Kunde – aber auch der gläserne Bürger, denn in China, das für die Spionage unter den eigenen Einwohnern und für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, können diese Informationen auch von der Regierung eingesehen werden.

Kein Sprung über die Mauer

Die Chinesische Mauser

Den internationalen Sprung über die eigene Mauer haben die Chinesen trotz mehrerer hundert Millionen Dollar Werbebudget im Rücken und berühmten Fürsprechern, wie Fußballstar Lionel Messi, noch nicht geschafft. Mangelhaftes Marketing, der späte Markteintritt und das Bekanntwerden von Zensur- und Überwachungsproblemen waren dabei nicht einmal die größte Hürde. Außerhalb Chinas kann WeChat einfach nicht mit dem selben Funktionsumfang punkten.
Doch der Traum jedes Werbetreibenden animiert auch westliche Unternehmen, wie Facebook, dem Trend zu Folgen und universelle Super-Apps zu entwickeln. Laut einer Analyse des MIT sind sie intimer und dadurch glaubwürdiger. Die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer eine App herunterladen und ausprobieren sei drei Mal so hoch, wenn sie über einen privaten Chat empfohlen wurde.

Mit ihrer enormen Marktmacht können Super-Apps also nicht nur unserer Privatsphäre und unserem Portemonaie, sondern auch herkömmlichen Apps – vor allem sozialen Netzwerken – gefährlich werden.

-----
Willst du keine News mehr verpassen? Dann folge uns auf Twitter oder werde Fan auf Facebook. Du kannst natürlich in Ergänzung unsere iPhone und iPad-App mit Push-Benachrichtigungen hier kostenlos laden.

Gefällt Dir der Artikel?

 
 
Marcel Gust
twitter Google app.net mail

10 Kommentare zu dem Artikel "Eingesperrt in der Super-App"

  1. Lenny 18. August 2016 um 17:22 Uhr ·
    Superapps sind echt eine super innovative wegweisende Idee. Ich finde es sollte ein Betriebssystem auf Basis dieser Idee gemacht werden. Braucht natürlich eine super Menüführung usw.. Apps dann als Plug-Ins sozusagen. Wer ist dabei?
    iLike 14
    • MERTL 18. August 2016 um 17:53 Uhr ·
      Ich! Und alle wichtigen Funktionen von einem Bildschirm und nicht aus haufenweise verschiedenen Apps!
      iLike 4
    • DereinemitiPhone 18. August 2016 um 17:55 Uhr ·
      Genau das ist das, was ich schon seit einer Weile denke! Eine super-App als Betriebssystem! Siri hat schon einiges integriert aber das ist noch nicht genug, anstatt sich ewig viele Apps runterzuladen, sollte Apple alle diese Features in iOS einbauen und miteinander verknüpfen.
      iLike 5
    • neptun 18. August 2016 um 18:35 Uhr ·
      Man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Jedes Betriebssystem bietet dir die Möglichkeit Programme zu installieren. Du nennst es halt einfach Plug-Ins. Der einzige Unterschied ist nur die innere Vernetzung. Auch Programme auf deinem PC können, wenn sie es sich denn gegenseitig zulassen würden, Daten austauschen und damit zusammen quasi zum Alles-Könner werden. Problem dabei ist nur, dass konkurrierende Software-Unternehmen wohl eher selten solche Kooperationen eingehen werden. Aus diesem Grund versuchen z.B. Microsoft und Apple möglichst viele, wichtige Programme schon von vornherein zu installieren beziehungsweise zum Kauf aus einer Hand anzubieten.( Siehe Office (oder viel simpler) Kontakte, Messenger, Mail usw) Im Vergleich zu früher sind heutige Betriebssysteme ja schon quasi super-apps. Früher oder später werden sie auch das können, was die chinesischen Apps können mit z.B. Apple Pay, Karten, Siri, HomeKit usw. Man muss kein eigenes Betriebssystem auf dieser Idee entwickeln, wenn große Firmen dieses Ziel auf kurz der lang schon verfolgen. Dass Siri nun für Entwickler geöffnet wurde, bekräftigt mich in dieser Annahme. Somit bietet man eine neue Plattform, um noch mehr Tätigkeiten vom Betriebssystem an sich zu tun, ohne dabei eine Drittanbieter-App öffnen zu müssen, obwohl diese die Funktion dafür ja eigentlic erst liefern. Auch die immer weitere Verfügbarkeit von Apple Pay, mittlerweile ja sogar über Safari, bietet für Apple-Systeme ja dann quasi einen zentrales Programm zum Bezahlen, was dritte Apps auch wieder nutzen können. Die Plattform ios beziehungsweise MacOS kann durch sowas langfristig immer mehr. Wenn es nicht so große Sicherheitsbedenken und Konkurrenz geben würde, dann würde diese Entwicklung auch deutlich schneller gehen, so finde ich zumindest. In China spielt das ja keine Rolle. Dort wird man so oder so überwacht und wehren kann man sich nicht, außer man lässt das Gerät natürlich aus. Soweit wird es mit ios zwar hoffentlich nicht gehen, aber möglich wäre eine solche Entwicklung natürlich trotzdem über die Zeit, wenn sich eben Siri- und Apple-Pay- Integrationen mehrheitlich durchsetzen.
      iLike 8
    • Heinz 18. August 2016 um 18:39 Uhr ·
      Dann schau dir in iOS 10 die Nachrichten App an. Genau dort hat Apple eine App Schnittstelle installiert, dort können sich andere Apps einklinken und des Nachrichten Programm von Apple wird dann eine super App.
      iLike 1
      • Lenny 18. August 2016 um 21:29 Uhr ·
        Das wäre auch das Prinzip für so ein Betriebssystem. Es gibt keine Foto Apps aus dem Store, sondern eine Fotos App, wo du auf bearbeiten gehst und alle Werkzeuge und Plug-Ins hast(ungefähr wie die Extensions von Apple). In der Erinnerungs App hast du dann z.B. einen Button für ein Plug-In, womit du sie so erstellen kannst wie du willst. Teilweise gibt es sowas ja schon in iOS. Konsequent als Betriebssystem wäre es aber noch wesentlich besser.
        iLike 1
  2. Marco 18. August 2016 um 17:30 Uhr ·
    WeChat hats einfach drauf. Solange da aber China mitmacht, werden die international nichts erreichen.
    iLike 1
  3. Juergen 18. August 2016 um 21:20 Uhr ·
    Ja ich benutze auch WeChat, WhatsApp schon lange gelöscht. Die Deutschen sind Gewohnheitsmenschen, ja nicht was neues ausprobieren. Im Ausland kann man sich die Nachricht in der App in seine Sprache übersetzen lassen und viele Funktionen, die es bei WhatsApp in zehn Jahren nicht geben wird,
    iLike 0
    • Eisvogel 18. August 2016 um 23:59 Uhr ·
      Und du hast alle deine Bekannten dazu gebracht, WeChat zu benutzen? Warum? Wieso sollte ich mir Nachrichten übersetzen lassen, wenn es eine (Über-)fülle an deutschen Nachrichtenportalen und Apps gibt?
      iLike 6
    • Babo 21. November 2016 um 13:14 Uhr ·
      Die chinesische Regierung freut sich über jeden Übersetzungsauftrag eines westlichen WeChat Nutzers. Also lasst diesen bornierten Naivlinge ruhig ihre Bequemlichkeit!
      iLike 1

Leider kann man keine Kommentare zu diesem Beitrag mehr schreiben.