Wie Moovel zum „Betriebssystem der Mobilität“ werden will
Auf dem Weg vom Automobilhersteller zum Dienstleister hat Daimler in den USA ein neues Konzept für seine Marke Moovel getestet. Nun kommt das „Betriebssystem der Mobilität“ auch nach Deutschland.
Glänzen, wo andere versagen
„Es fehlt einfach an allem, um eine gute Übersicht über verschiedene Verbindungsmöglichkeiten zu bekommen,“ lautet eine von vielen negativen Kundenbewertungen für die App des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV). Die App erhielt im App Store im Schnitt nur vernichtende 1,5 Sterne.
Doch so wie den Karlsruhern geht es vielen Verkehrsbetrieben in Deutschland. Die Entwicklung und Instandhaltung digitaler Angebote stellt die analogen Dienstleister vor eine Mammutaufgabe, der viele nicht gewachsen sind. Die Angaben müssen stets aktuell gehalten werden. Fahrgäste erwarten heute beispielsweise, unverzüglich über Verspätungen informiert zu werden. Doch vielen Verkehrsbetrieben fehlt das nötige Know-How und so hinken Sie den Größen der Branche, wie Uber oder Lyft, oft Jahre hinterher. Die Folge: unzufriedene Fahrgäste, die sich nach Alternativen umsehen.
Die Programmierung individueller Systeme verschlingt zudem Unsummen und sorgt dafür, dass die Angebote der Nahverkehrsbetriebe in Deutschland einem digitalen Flickenteppich gleichen. Die Daimler-Tochter Moovel verspricht nun Hilfe.
Daimlers Zusatzgeschäft
Mit Moovel hat der Traditionsreiche Premium-Autobauer Daimler inzwischen erfolgreich das Feld der digitalen Dienstleistungen für sich erschlossen. Damit erinnern die Schwaben ein bisschen an Apple. Der iPhone-Konzern widmete sich in den letzten Jahren ebenfalls zunehmend der Service-Sparte und hat damit eine lukrative zweite Einnahmequelle neben dem Hardware-Verkauf erschlossen.
Nicht, dass der Stuttgarter Konzern es nötig hätte: Mit einer Marge von 8,4 Prozent konnten sie im letzten Jahr einen Gewinn von 12,9 Milliarden Euro vor Steuern und Abgaben (EBIT) erwirtschaften. Das ist zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr, reicht aber immer noch für den zweiten Platz der Weltrangliste. Noch rentabler ist nur Toyota. Die Japaner bleiben trotz eines dramatischen Gewinneinbruchs von 24 % der rentabelste Automobilhersteller mit einem stolzen Gewinn in Höhe von umgerechnet rund 17 Milliarden Euro (EBIT).
Konzept-Re-Import aus den USA
Während Moovel trotz deutscher Wurzeln und intensiver Werbung hierzulande noch ein Nischendasein fristet, hat der Konzern in den USA erfolgreich ein cleveres Geschäftsmodell entwickelt: Unter der Marke Moovel Transit vermittelt man dort jeden Monat insgesamt 1,6 Millionen Tickets von 16 Nahverkehrsbetrieben.
Die Fahrgäste können in der App die beste Verbindung suchen und auch direkt über das Smartphone (via PayPal oder Kreditkarte) bezahlen. Verspätungen und Fahrplanänderungen werden dabei unmittelbar berücksichtigt und an die Nutzer weitergeleitet. Neben den Möglichkeiten des ÖPNV bezieht die App aber auch Alternativen wie Carsharing oder Leihfahrräder mit ein. Sind diese schneller und günstiger als Bus oder Bahn, wird der Nutzer darauf hingewiesen. Damit bündelt Moovel alle Mobilitätsangebote der Stadt in einer App und wird zur zentralen Anlaufstelle für die Kunden.
Inzwischen ist Moovel aber auch bereit, den eigenen Namen zu Gunsten neuer Kooperationen und einer damit wachsenden Nutzerzahl in den Hintergrund zu rücken. Dieses Geschäftsmodell findet im Karlsruher Verkehrsverbund (KKV) nun seinen ersten deutschen Kunden. Allein der KKV befördert pro Jahr 170 Millionen Fahrgäste – ein enormes Kunden-Potential für Moovel. Dafür erhält der Verkehrsverbund mit KKV.mobil seine „eigene“ App, die gemäß der Marketing-Vorgaben gestaltet und unter dem eigenen Namen beworben werden kann. Durch die Auswertung anonymer Nutzungsdaten kann der Verkehrsbetrieb künftig außerdem sein ÖPNV-Angebot optimieren und an die tatsächlichen Bedürfnisse der Fahrgäste anpassen. Neben den tatsächlich getätigten Fahrten können beispielsweise auch Suchanfragen zu fehlenden Verbindungen ausgewertet werden.
„Für Verbünde fallen lediglich Factoring-Gebühren für die Nutzung der App an,“ erklärt Moovel-Chef Jörg Lamparter. Moovel erhält also eine Provision für jede vermittelte Fahrt. Dafür übernehmen die Schwaben aber auch die Weiterentwicklung der hochwertigen App.
Flickenteppich ade!
Wie die Moovel-App selbst, schafft es KKV.mobil im App Store derzeit auf eine Durchschnittsnote von guten 4 Sternen. Neben Karlsruhe sollen im Laufe des Jahres noch 3 weitere deutsche Städte folgen. Einmal angemeldet können Nutzer dann alle lokalen Apps nutzen. Neben der Erstellung eines neuen Benutzerkontos wird auch der Login auch via Facebook- oder Google-Konto angeboten. „Die intelligente Verknüpfung von Mobilitätsdienstleistungen wird zu völlig neuen Verkehrskonzepten führen,“ prophezeite Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup.
[via Handelsblatt]
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10 Kommentare zu dem Artikel "Wie Moovel zum „Betriebssystem der Mobilität“ werden will"
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Cerberus1953 4. Mai 2017 um 15:35 Uhr ·Hätte ich gerne hier in München …?iLike 7
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Hagenuck1 4. Mai 2017 um 17:16 Uhr ·Wenn das so gehandhabt wird, dass man nicht nur über die „eigene App“ der Verkehrsbetriebe, sondern auch über die Movell app und dort dann bei allen unterstützten Betrieben buchen kann ein guter Ansatz.iLike 4
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Der Glückskeks 4. Mai 2017 um 19:19 Uhr ·Karlsruher Verkehrsverbund wird KVV abgekürzt. Nicht KKViLike 2
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JAKOB 5. Mai 2017 um 08:39 Uhr ·Das ist tatsächlich so, ich würde sagen, das wird verbessertiLike 0
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bmbsbr 4. Mai 2017 um 19:52 Uhr ·Hab die App gerade mal im ÖPNV-armen Gebiet hier in Florida getestet. Funktioniert erstaunlich gut.iLike 0
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Apple Tom 4. Mai 2017 um 20:09 Uhr ·Moovel ist aber nicht verwand mit Moovit , oder ??iLike 0
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JasperQ 5. Mai 2017 um 17:21 Uhr ·Wofür Moovel wenn ich mit besseren Daten Google Mals habe und das perspektivisch immer besser wird?iLike 0
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bmbsbr 6. Mai 2017 um 20:24 Uhr ·Der entscheidende Unterschied: Bei Moovel kauf ich gleich das Ticket für die ganze Reise.iLike 0
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inu 6. Mai 2017 um 12:18 Uhr ·Was die Apps der Verkehrsbetriebe angeht, so hängt es wohl weniger an diesen – sondern vielmehr am System, welches ich mit einer kurzen Definition umschreibe: ÖPNV = FRUST-Syndrom: Fahrplanbindung Reisezeit Umsteigen Stehplätze Tuchfühlung – mit Leuten, deren Nähe man freiwillig nicht immer suchen würde Tja …iLike 1
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Necman 7. Mai 2017 um 07:11 Uhr ·Fahrt Auto und steht im StauiLike 0