Jailbreak – der ewige Lückenfüller
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Kommentar von Matthias Petrat: iOS basiert schon immer auf einer geschlossenen Systemstruktur. Geschlossen heißt in dem Fall aber nur, dass das System selbst nicht vom Nutzer angefasst bzw. verändert werden kann. So ist iOS in sich abgeschottet und bietet schon immer den Sicherheitsstandard von Unix. Das schafft klare Vorteile für den Endnutzer und löst doch scheinbar immer noch einen großen Aufschrei aus.
Die Entwicklung an iOS begann 2005 – 2 Jahre vor dem eigentlichen Release. 2007 feierte iOS auf dem ersten iPhone sein Debüt und wer es noch kennt der weiß, dass es iPhone OS 1.0 nur auf der iPhone-Präsentation gab. Die ausgelieferten Geräte liefen bereits mit iPhone OS 1.1 – in welchem alle groben Fehler ausgemerzt wurden. Und außerdem – iPhone OS 1.0 war nur 300MB groß. Das mobile Betriebssystem hieß auch erst ab 2010 iOS, denn zuvor nannte man es schlicht iPhone OS. Das iPad in 2010 machte die Umbenennung nötig, da mehrere Geräte mit dem Betriebsystem ausgestattet wurden und so eine einheitliche Benennung her musste. Seit dem Release reift iOS jährlich weiter und wird stetig ausgebaut. Multitasking war zur iPhone-Classic-Zeit schon gedacht, hardware- und softwareseitig aber noch lange nicht fertig. Diesen Schritt erlebte das mobile OS erst in seiner 4. Auflage. Die 5. Auflage brachte iCloud-Funktionen in das System und ließ das Gerät in manchen Aufgaben fortan nur noch als Ausführungsplattform und nicht mehr als Datenspeicher agieren. Wer heute ein iPhone mit Version 1.1 und ein iPhone 6 mit iOS 8 in die Hand nimmt, der erlebt ein seltsames Gefühl. Nicht nur, dass sich das Design absolut unterscheidet, auch die Funktionalität hebt sich enorm von einander ab. Man erwischt sich somit auf dem iPhone Classic direkt selbst, in dem man Multitaskingoperationen starten will, versucht das ControlCenter hochzuwischen oder ganz schlicht und einfach versucht eine Zurückwischgeste auszuführen. Und doch ist der Grundstock der beiden iOS-Epochen immer noch der gleiche.
iOS wurde auf dem Grundprinzip von Mac OS entwickelt. Somit war und ist Unix bis heute der Grundbaustein von iOS – daran änderte auch eine Designänderung keinesfalls etwas. Durch den komplexen Aufbau ist es seit jeher nicht möglich, dass der Benutzer auf das Dateisystem oder die Kommandozeile von iOS zugreifen kann. Auch Anwendungen laufen schon immer in einer Sandbox und können nicht auf dem System selbst ausbrechen. Nur mit Zustimmung des Benutzers können Apps aus der Sandbox heraus agieren, um beispielsweise auf die Foto-App des Systems zugreifen zu dürfen. Diese Sicherheitsabfragen von Anwendungen kennt heute jeder iOS-Nutzer. Das Dateisystem von iOS ist dem von OS X sehr ähnlich. Statt HFS+ arbeitet das mobile System mit HFSX und beachtet ebenso die Schreibart von Dateien (Groß- und Kleinschreibung). Beim Start eines iOS-Gerätes werden zwei Partitionen gestartet. Eine davon ist die Systempartition. Darin enthalten ist das Springboard und alle anderen Hintergrunddienste, die für die Ausführung nötig sind. Mit jeder iOS-Version wächst diese Systempartition in ihrer Größe, da die neuen Systemfeatures schlicht auch mehr Platz benötigen. Die maximale Größe ist derzeit aber auf 4GB beschränkt – was für die nächsten Jahre noch ausreichen sollte.
Die zweite Partition beinhaltet den Benutzerordner. In diesem werden alle Einstellungen und Medien abgelegt. So werden im Ordner Applications jegliche Apps gesichert. Der Ordner Library beinhaltet alle Einstellungen die der Nutzer in iOS festgelegt bzw. geändert hat. Media ist der Ordner in dem alle Mediendateien abgelegt und organisiert werden (Fotos, Musik, Videos, Dokumente). Windows entdeckt übrigens den Media-Ordner eines angeschlossenen iOS-Gerätes und kann so auf die Fotos aus dem Unterordner DCIM zugreifen – wie man es von Digitalkameras kennt. Man erkennt also ganz klar wie iOS in sich aufgegliedert ist, um eine gewisse Grundstruktur aufzuweisen und somit zeitgleich ein Hauptmerkmal von iOS an den Tag bringt – die Sicherheit des Systems.
iOS ist schon immer eines der sichersten, mobilen Betriebssysteme auf dem Markt. Dagegen kann man in keiner Weise etwas sagen. Natürlich hat jedes System seine Lücken und ist angreifbar, doch vom Grundaufbau ist das alte iPhone OS immer noch extrem sicher gestaltet. Auch wenn man nicht verschweigen sollte, dass das Installieren von fremden Zertifikaten aus dem Internet mittlerweile stark überdacht werden sollte – da diese Vorgehensweise nicht mehr zeitgemäß und dadurch auch mehr als unsicher und bedenklich wirkt. Und auch sollte man keine SSL-Lücken in iOS vergessen, die lange vorhanden waren und erst viele Monate später erkannt und geschlossen wurden. Doch gerade, dass Nutzer nicht auf den Dateistamm des Betriebssystems zugreifen können macht das System so sicher. Mal ehrlich, was will man auch darin? Und doch gibt es immer noch das große Katz-und-Maus-Spiel zwischen Apple und der Jailbreak-Community. Jede iOS-Version ändert die Spielregeln erneut, die neuen Spielpartien wirken dabei immer langatmiger und doch gewinnt am Ende jemand.
Die Jailbreak-Community sucht nach Lücken im Dateisystem von iOS und versucht das System durch eine Jailbreaksoftware zu knacken. Die Suche nach den Lücken dauert immer länger und die gefunden Exploits werden von der Community teils stiefmütterlich behandelt. So werden diese Lücken teils aufgehoben und erst nach einem größeren Versionssprung von iOS genutzt, um somit eine neue Hauptversionsnummer knacken zu können. Das Ausbrechen des Betriebssystems sprengt die „bösen Ketten“, erlaubt das Modifizieren der Firmware und das Installieren eines alternativen Softwaremarktes. Somit kann das System von seinen Funktionen und auch von seiner Oberfläche her individuell verändert und angepasst werden. Und dies mit teils drastischen Maßnahmen, denn durch die Öffnung des System kann sich quasi alles auf dem Gerät frei bewegen und agieren wie es will. Nutzer beklagen sich bis heute noch über Datenschutzrichtlinien von Facebook, E-Mails die in G-Mail von Google gelesen und analysiert werden oder Gelesen-Haken bei WhatsApp, was alles enorm in die Privatsphäre des Nutzers eingreifen soll. Zeitgleich werden aber ihre gejailbreakten Geräte im Hintergrund von fremden Quellen ausgespäht, leergesaugt oder gar verseucht. Man muss schon konsequent sein, um eine Meinung vertreten zu dürfen. Doch ein Jailbreak rechtfertigt solch eine Datenschutzmeinung absolut nicht. Wer demnach ein insich geschlossenes Gerät mutwillig und mit klarem Verstand öffnet, der darf sich nicht wundern, wenn es in alle Richtung ausbricht.
Es ist wahr – auch ich habe schon einmal ein iOS-Gerät einem Jailbreak unterzogen. Diesen Versuch kann man auf 2009 zurückdatieren und gilt eher als das Anfangskapitel der Jailbreakgeschichten. Das iPhone 3Gs unter iOS 3.1.3 war der damalige Kandidat dafür. Der Ausbruch ging damals relativ einfach, allerdings teils nur unter Windows. Interessant war zu beobachten, wie weit man in das System vordringen kann und so damals von dem Windows-Explorer aus per WLAN auf den Systemordner von iOS zugreifen konnte. Was mir das damals gebracht hat? Um ehrlich zu sein nichts – gar nichts. Doch 2009 war dies alles eher der Anfang vom Anfang und galt ausprobiert zu werden. Heute sehe ich den Jailbreak mehr als kritisch. Was ich mich niemals wagen würde, wäre ein iOS-Gerät ausbrechen zu lassen auf dem ich mit einem Google-Account eingeloggt bin. Denn darin sehe ich eine potenzielle Gefahr für den Account selbst und somit auch für alle Accounts, die mit dem Google-Login arbeiten – ein Abfischen dieser Daten wäre/ist mehr als katastrophal. Doch auch Facebook, Twitter und andere Accounts, welche man zum Login auf weiteren Seiten nutzen kann, sind potentiell gefährdet und können im Ernstfall zum privaten Supergau werden. Die Hintertüren, die durch den Jailbreak geöffnet werden sind extrem bedenklich – denn wieso sollte man einer chinesischen Softwarequelle vertrauen und eine alternative Firmware auf seinem Gerät installieren? Niemand sieht und weiß was da im Hintergrund vollzogen wird, wenn ein Gerät entsperrt wird. Und niemand kennt die Quelle der Firmware.
Dem Jailbreaker selbst kommt es in dem Fall einfach nur auf die Oberflächenanpassung des Systems, Kindergartentweaks und geklauten Apps an. Wo wieder der Widerspruch der Datenschutzmeinung zu erkennen ist. Die Malware Baby-Panda ist ein klares Zeichen dafür, wie Sicherheitshebel außer Kraft gesetzt werden. In dem sich die Maleware auf die SSL-Verschlüsselung setzt, die Apple-ID und das Passwort im Datenstrom sucht und die gefundenen Daten im Klartext über seltsame Umleitungen nach China schickt. Und auch ein chinesischer App-Store, der auf den gejailbreakten Geräte seltsamerweise auftauchte, ist ein Garant dafür, wie skrupellos Anwendungen kopiert und für umme angeboten werden – sauber können solche Apps nicht sein. Man kann sich relativ schnell zurechtreimen, wer am Ende an gehackten iCloud-Konten die Schuld trägt und dadurch eventuell sein iCloud-Fotoordner leergezogen bekommt oder künftig als Spam-Absender zwecksentfremded wird.
Seit iOS 7 sollte iOS den Punkt erreicht haben, an dem man das Gerät individueller Anpassen kann, als es jemals unter iOS möglich war. Und auch iOS 8 macht gerade mit Extensions den nächsten Schritt, wodurch Programme in Programmen ausgeführt werden können und Jailbreaktweaks mehr als unnötig machen. Den Mehrwert eines Jailbreaks sehe ich dadurch einfach schon viele Jahre nicht mehr und sah ich ansich noch nie. Das Argument „Mit diesem Tweak kann ich nun dies und jenes produktiver durchführen.“ kann ich nur belächeln. Auch ich arbeite produktiv mit iPhone/iPad und bin nie an die Grenzen gestoßen, an dem ein Jailbreak nötig wäre. Auch hier ist dies einfach eine Ausrede dafür, dass man ein ausgebrochenes Gerät nutzt, aber gar nicht wirklich weiß, wieso und warum. Der Mehrwert ist dem Nutzer in diesem Moment selbst nicht ersichtlich und wird schöngeredet – wieso auch mit bösen Ketten herumlaufen?! Eine sehr erschreckende Sache, denn Benutzer vertrauen Softwarephantomen im Hintergrund und wissen nicht einmal wieso.
Für mich ist die Jailbreak-Community eine Gruppierung von klugen Köpfen, die alles daran setzen ein Exploit in iOS auszunutzen, um ein iOS-Gerät zu „befreien“. Der gute Punkt daran ist, dass diese Köpfe versuchen, einen Exploit zu finden, damit sie mit ihrem Vorhaben weitermachen können. Eigentlich ist die Arbeit löblich zu betrachten – sofern man deren Ergebnis einfach ignoriert und seinem Gerät keinem Jailbreak unterzieht. Man wartet demnach einfach ab bis die passende Jailbreaksoftware zur iOS-Software vorhanden ist. So schnell die Software unter einem Exploit auszuführen ist, so schnell hat Apple das Exploit im nächsten Punktupdate geschlossen. Von daher betrachte ich die Jailbreak-Community heute nur noch als klassische und ewige Lückenfüller, die durch ihre Arbeit stetig helfen iOS sicherer zu machen – Jahr für Jahr und Versionsnummer für Versionsnummer.
Info: Was ist ein Jailbreak?
Apples Betriebssystem iOS ist ziemlich verschlossen. Mit einem Jailbreak knackt man allerdings das System und kann es offen nutzen. Welche Folgen das hat, ob das legal ist und was bisher möglich ist, steht hier. Alle News dazu gibt es im Anschluss chronologisch aufgelistet.
Jailbreak: Was ist möglich?
Apple erlaubt es den Nutzern, auf ihr iPhone, iPod Touch oder iPad nur Programme aus dem hauseigenen App Store zu laden. Doch mit einem Jailbreak erweitert sich eben genau dieser Horizont radikal. Es wird der Store Cydia auf das iDevice geladen, worüber sich eine große Auswahl an Tweaks beziehen lässt. Diese sind weder von Apple kontrolliert, noch gewünscht, da sie tief in das Ökosystem von iOS eingreifen und dort Änderungen vornehmen.
Welche Nachteile hat der Jailbreak?
Alles schön und gut? Von wegen. Hört man so oft, dass ein offenes Betriebssystem doch viel freier ist, muss man auch die Nachteile eines solchen beachten. Abgesehen von der Tatsache, dass die Garantie des Produktes bei einem Jailbreak verloren geht, ist das Geräte nämlich viel verfänglicher und unsicherer gegen Schadsoftware. Auch die Stabilität und Akkulaufzeit könnte darunter leiden, manche Apps lassen sich auch nicht ordentlich bedienen. Auch die ganzen Tweaks im Cydia Store sind nicht kontrolliert. Jeder sollte sich das vor Augen halten.
Jailbreak: Legal oder nicht?
Grundsätzlich ist es so, dass der Jailbreak nicht unter Strafe steht, also in Deutschland legal ist. Nur von Apple ist der nicht unbedingt gewünscht. Man verliert die Garantie des iPhones oder iPads. Und trotzdem erfreut sich die Szene großer Beliebtheit. Wir raten grundsätzlich vom Jailbreak ab!
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