Warum Apple mit Classical (wieder einmal) alles richtig macht! (Die Kolumne)
Ich sehe es vor meinem geistigen Auge, dass BWL-Professorinnen in ihren Marketing-Seminaren Apples neuesten Coup als Goldstandard für eine Zielgruppenorientierung und Kundenbindung definieren. Die Rede ist von der App „Classical“, die gleichzeitig Tochter und Schwester der großen „Music“-App ist und – das ist der eigentlich geniale Teil – im Apple-Music-Abo enthalten ist.
Halbe-Halbe Classic und No-Classic
Klassikliebhaber sind besser und manchmal anders als ihr Ruf. Das zeigen immer wieder Studien zur Klassik-Nutzung, wie sie zum Beispiel von der ARD gemacht werden. Dabei ist man an diesem Punkt schon einen Schritt zu weit. Am Anfang steht die Frage Klassik ja oder nein? Experten definieren es als „E-Musikoffenheit“ oder eben nicht. Das ist in der deutschen Bevölkerung ab Jugendalter etwa halbe-halbe. Also kann Apple mit seinem Angebot eine viel größere Zielgruppe erreichen als man so gemeinhin vermutet. Junge Klassikhörer sind – wie so oft im Sturm und Drang – eher „heavy user“, die Älteren mehr die Genusshörer. Mehr Frauen als Männer schätzen klassische Musik, aber dann wird es typisch: Je älter, desto mehr liebt man Klassik und ihre Hörer sind gebildeter (wir sagen „eine hohe formale Bildung“). Gebildeter bedeutet in der Regel ein höheres Einkommen – Apple liebt diese Zielgruppe.
Wie kommt man zur Klassik?
Apple ist ein Marathonläufer, kein Sprinter. Unser sympathischer Weltkonzern plant langfristig und hat immer auch die Kunden von morgen im Blick. Und hier spielt „Classical“ eine Rolle. Welche? Die Musikerfahrungen der Kindheit und Jugend (nennen wir es Musiksozialisation) sind entscheidend. Wer früh mit Klassik in Berührung kommt, bleibt dabei. Welchen einfacheren Weg als über eine tolle App auf Mamas Handy kann es geben, den Nachwuchs hören zu lassen?! Ein weiterer Faktor ist übrigens das eigene Musizieren (Hallo Apple! Das Erlernen von Instrumenten wäre eine neue App wert! Honorar für diese Idee – wie immer!)
Treue
Für diejenigen, die Klassik mögen, hat diese Musik einen hohen Stellenwert, sie bedeutet ihnen viel, ja, es macht ihr Leben lebenswerter. Damit bringt Apple nicht nur einfach eine neue App für eine besondere Zielgruppe, nein, es verbessert das Leben dieser Menschen. Und das für den Preis eines Apple-Music-Abos, das ich vielleicht ohnehin schon habe und noch sehr lange und für viele Jahre behalten werde!
Klassiker sind Kenner = Nerds
Apple hat verstanden, wie Klassik-Hörerinnen ticken (,wenn Sie das Wortspiel verzeihen). Klassiker kennen sich oft extrem gut aus (wieder in schlau: E-Musikkompetenz genannt) und das bedeutet, ich muss ihnen etwas dafür bieten. Mehr als Dmitri Schostakowitsch oder Schostakowitschs Cellosonate in d-Moll, nein, ich muss Ihnen die Interpretation des Royal Philharmonic Orchestra im Vergleich zu den Berliner Symphonikern bieten. Und vielleicht noch die Umsetzungen des (verstorbenen) lettischen Dirigenten Mariss Jansons. Ich höre an dieser Stelle auf – Sie wissen, was ich meine. Apple hat das verstanden und „Classical“ genau so gebaut! Viele sind Musik-Nerds, die Nerd-Kram lieben. Ab sofort treue (eventuell neue) Kunden im Apple-Universum.
Grenzen verschwimmen
Apple hat eine zunächst seltsam anmutende Hybrid-App gemacht, die die Inhalte der einen („Music“) auch in der anderen („Classical) zeigt, aber nur begrenzt umgekehrt. Auch das macht Sinn. Die starren Grenzen von E- (=Ernster) und U- (=Unterhaltungs-) Musik sind schon lange nicht mehr so starr, wie es in unseren Köpfen scheint. Für viele Menschen ist es wichtig „gute Musik“ zu hören und weniger nach den Genres (z.B.) Klassik, Jazz oder Pop einzuteilen. Und vielleicht sorgt meine Stimmung, die Tagesform, der Anlass, meine Zeit oder vielleicht einfach mein Konzentrationsfähigkeitssteigerungslevel dafür, welche Musik ich höre. Und vielleicht soll meine Playlist genau das widerspiegeln: Classic oder nicht, Hauptsache geile Musik!
Tim
(Wieder einmal) Alles richtig gemacht, Tim!
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6 Kommentare zu dem Artikel "Warum Apple mit Classical (wieder einmal) alles richtig macht! (Die Kolumne)"
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HAL2001 6. April 2023 um 18:49 Uhr ·Gibt es eigentlich einen triftigen Grund dafür, warum die Klassik App nicht in CarPlay verfügbar ist 🤔iLike 0
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Jansemann 7. April 2023 um 07:42 Uhr ·Schöne Kolumne! :)iLike 0
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Feluryan 7. April 2023 um 20:39 Uhr ·Ich liebe die Klassik App ☺️iLike 0
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klassikhörer 7. April 2023 um 21:00 Uhr ·Ich finde auch, dass Apple vieles richtig gemacht hat. Was mich allerdings stört ist, dass man nichts direkt downloaden kann, sondern dazu die Alben erst zur Mediathek hinzufügen muss, dann zur Music App wechseln muss und hoffen muss, dass es dort zum Download zur Verfügung steht. Ansonsten gut gelungen, aber ehrlich gesagt auch längst überfällig. Die Suche und Werksanzeige in der Music App ist katastrophal. Ich hoffe, dass Apple die App stetig weiter entwickelt und für andere Plattformen verfügbar macht. Und: Apple muss unbedingt dafür sorgen, dass Apple Music auf mehr Musikanlagen direkt (nicht über AirPlay!) abspielbar ist. Das geht mWn bisher nur über Sonos. Spotify ist hingegen fast überall implementiert: Denon, Naim, Linn, NAD, Cambridge Audio usw usfiLike 0
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Jar 8. April 2023 um 00:30 Uhr ·App zum Musizieren gibt es schon ewig, Garage BandiLike 0
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Krissaw71 9. April 2023 um 08:34 Uhr ·Die App wurde noch nicht mal für das iPad angepasst 😂🙈iLike 0